Mittwoch, 30. Mai 2018

Das Ausbleiben der Vorfreude


Ja, in wenigen Wochen ist es wieder soweit: Fußballweltmeisterschaft. Und eigentlich sollte so langsam das WM-Fieber steigen, sich eine Freude einstellen auf spannende Spiele, schadenfrohe Memes bei Facebook, auf das gemeinsame Abfeiern in den Straßen, vielleicht sogar auf die Titelverteidigung - also Fähnchen fürs Auto schon mal raussuchen und die Tage zählen bis zum Anpfiff. Doch irgendwie ist da – nichts. So rein gar nichts. Das war sonst anders. Und das hat Gründe.




Einer davon ist vielleicht, dass ich dieses Mal, im Gegensatz zu sonst, die Qualifikationsspiele gar nicht geschaut habe, weil ich die Übertragungen auf RTL einfach zu unerträglich fand. Leider hab ich dadurch aber auch den Draht zur "Mannschaft" verloren, denn ich habe sie seit bestimmt bald zwei Jahren nicht mehr spielen sehen. 


Dann das Turnier selbst: Die Niederlande nicht dabei, und – das finde ich fast noch schlimmer - Italien ebenfalls nicht. Und das ist einfach schade! Denn was ist eine WM ohne unsere Lieblingsgegner; ohne ausgelassen feiernde italienische Fans in den Innenstädten und ohne die Schadenfreude, wenn eben jene Mannschaft, die schon so oft deutsche Titelhoffnungen zunichte gemacht hat, dann im Laufe des Turniers irgendwann die Koffer packen muss (Sorry, liebe Italiener, ich mein es nicht so … Und irgendwie mochte ich Euer Team auch immer, aber eben nur bis zu einem bestimmten Punkt. 😉


Unschön natürlich auch die Gerüchte über Säuberungsaktionen und Hundetötungen in den Austragungsorten in Russland; auch das trägt nun wirklich nicht gerade dazu bei, sich in WM-Stimmung zu versetzen. 


Aber da ist noch mehr: Erinnern wir uns noch mal an 2006, an dieses großartige, fröhliche, sonnendurchflutete Sommermärchen in Schwarz-Rot-Gold! An diese Leichtigkeit, mit der auch wir Deutschen plötzlich "Flagge zeigten",  nicht aus irgendeinem angestaubtem Nationalismus heraus, sondern einfach nur als Fans unserer Mannschaft. An die Autokorsos, an das Feiern in den Straßen unserer Städte. An das positive Feeling, das plötzlich über dem gesamten Land zu liegen schien; an das Gefühl, Teil von etwas ganz Großem zu sein. Und auch, wenn es sich nie wieder so neu, so revolutionär anfühlte wie 2006, transportierten auch die folgenden Turniere dieses Lebensgefühl – und fanden mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft vor vier Jahren ihren Höhepunkt. 


Doch seitdem haben sich die Zeiten geändert. Die Stimmung im Land ist gekippt, die politischen Strömungen haben sich verändert, der Ton wurde rauer. Rassistisch und "rechts" zu sein ist wieder gesellschaftsfähig geworden; Nationalisten, Rechtpopulisten und völkisch Angehauchte haben sich das Schwarz-Rot-Gold zurück erobert. Ich jedenfalls möchte mir nun keine Deutschlandfähnchen mehr ans Auto heften, und mit Grauen denke ich schon jetzt an die hämischen Hetz-Tweets aus einem gewissen politischen Lager, die garantiert wieder kommen werden, weil der eine oder anderer Spieler nicht die Nationalhymne mitsingt, oder weil er keinen typisch "deutsch" klingenden Namen hat. Auf widerwärtige Äußerungen wie "Boateng will niemand zum Nachbarn haben" und schlimmeres müssen wir uns mit Sicherheit wieder einstellen!


Und erst vor kurzem wurde mir noch eine weitere Freude gründlich verdorben, eigentlich sogar das, was für mich während der letzten WM-Jahre immer den größten Reiz ausgemacht hat: Ein Spiel war gewonnen, draußen erklangen die ersten Autohupen, und das war immer der Moment, in dem es für mich kein Halten mehr gab – Kamera geschnappt, rein ins Auto und ab in die Stadt! Ne Runde Autokorso mitgefahren, dann ins ausgelassene Getümmel gestürzt – und fotografiert! In solchen Momenten arbeitet der Finger auf dem Auslöser schon reflexartig, man ist völlig drin im Flow, eins mit der Menge, die Stimmung strömt durch einen durch, man fängt sie ein und freut sich später gemeinsam mit anderen auf Facebook über die Bilder. Kurz gesagt, es sind die Momente, für die ich lebe. 


Doch nun, im Zuge der neuen Datenschutzgrundverordnung und der allgemeinen Verunsicherung, ob Fotografieren im öffentlichen Raum zu solchen Anlässen überhaupt noch erlaubt ist, da ist es auch mit dieser simplen Freude vorbei. Und das ist irgendwie das Bitterste für mich an der ganzen Sache. Denn nach den Spielen in die Stadt zu fahren und dabei NICHT zu fotografieren, das erscheint mir schlichtweg unerträglich - und auch unmöglich.


Aber vielleicht gibt es ja auch keinen Grund zum Feiern. Vielleicht gelingt die Mission Titelverteidigung ja überhaupt nicht, vielleicht wird das Turnier ja ein einziges Debakel und „die Mannschaft“ scheidet schon in der Vorrunde aus. Oder das gesamte Turnier wird "seelenlos", ähnlich schon wie die EM vor zwei Jahren in Frankreich (abgesehen von Island und Wales). Oder aber – auch das kann natürlich sein -, die Jungs spielen so großartig, so mitreißend, dass sich auf einmal doch unweigerlich die Art von Begeisterung und Euphorie einstellt, die ich bis jetzt noch völlig vermisse … Wir werden sehen, und ich lasse mich auch gerne positiv überraschen.




Montag, 21. Mai 2018

Wörter


Seit längerer Zeit heute nun mal wieder ein Blogbeitrag von mir, und zwar mit einem kleinen Ausflug in die Etymologie. Anlass ist eine Frage, die mich schon seit längerem immer mal wieder beschäftigt … 


Wann und auf welcher Grundlage hat man eigentlich mal damit begonnen, 
bestimmte politische Ausrichtungen als 'links' oder 'rechts' zu bezeichnen? 





Wo kommt das her? Wer hat das so festgelegt und welche Idee steckt dahinter? 


Und sind diese Bezeichnungen für besagte jeweilige politische Ausrichtungen aus heutiger Sicht nicht geradezu paradox, wenn man sich vor Augen führt, für was beide Bezeichnungen im eigentlichen Sinne stehen, und welche Eigenschaften man damit assoziiert? 


Rechts … darin findet sich der Begriff 'Recht' wieder, und der steht nun mal im Allgemeinen für 'das Gute': Recht haben, Rechtsprechung, Rechtschreibung, gerecht, rechtens, es ist recht, rechtschaffen … Mit solchen Begriffen verbinden wir alles, was richtig ist, ehrlich und erstrebenswert.


Links dagegen: linkisch, zwei linke Hände haben, link sein, linke Bazille … damit meinen wir Menschen, die sich ungeschickt verhalten, die nicht vertrauenswürdig sind oder gar kriminell oder bösartig.


Es geht noch weiter: Die rechte Hand eines Kindes galt noch bis vor wenigen Jahrzehnten als 'das hübsche Händchen'; Linkshänder hat man umerzogen, teilweise sogar mit dem Rohrstock. Und im Straßenverkehr gilt hierzulande die Regelung „Rechts vor Links“ … 


Die Botschaft, die in unserem Bewusstsein von klein auf verankert wird: Rechts ist 'das Richtige', Links dagegen wird als negativ wahrgenommen.


Wie jedoch vereinbart sich das nun mit der Politik, wo es nun doch eine rechte Partei war, die im vergangenen Jahrhundert eines der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit begangen hat und die zum Synonym für das abgrundtief Böse schlechthin geworden ist? Und heute, mit dem Einzug einer stark rechts ausgerichteten Partei in den Deutschen Bundestag, sind dumpfe Hetze, Abwertung von ganzen Menschengruppen, antidemokratische Strömungen und demagogische Reden wieder gesellschaftsfähig geworden, und es ist noch genauso gruselig und beängstigend wie damals - und genauso dumm!


Wobei ich natürlich auch einräumen möchte, dass beide Ausrichtungen - Rechts als auch Links - in ihrer extremsten Form nichts Gutes mehr bedeuten können. Aber so, wie die Dinge derzeit liegen, empfinde ich die 'Gefahr von Rechts' als weitaus akuter und bedrohlicher. Und auch schon 'ein bisschen rechts' wird in meinem persönlichen Rechtsempfinden (da haben wir es wieder!) wesentlich schlimmer bewertet als 'ein bisschen links'.


Andererseits stelle ich mir auch die Frage, ob eine Partei, die einen landläufig so negativ besetzten Begriff wie 'Links' im Namen trägt, jemals von der breiten Masse als möglicherweise etwas positives wahrgenommen werden könnte, auch wenn vielleicht gerade sie es ist, die sich u. a. für diejenigen Dinge einsetzt, die wir - oder zumindest die meisten von uns - als 'gut' - oder eben als gerecht - ansehen würden. 


Also, wie ist das nun? Rechts und links - gut und schlecht? Oder doch eher anders herum? Denn tritt man heutzutage für Werte ein wie mehr Gerechtigkeit, mehr Toleranz, die Würde des Menschen usw., bezeichnen einen gewisse rechte Kreise schnell gerne mal als linksversifft.  Und somit heißt 'links' dann ja eigentlich doch 'gut', oder etwa nicht? ;-)