Vor kurzem habe ich die Autobiographie von Janina David gelesen. Es ist die Geschichte einer polnischen Jüdin, Jahrgang 1930, die einen Teil ihrer Kindheit im Warschauer Ghetto erlebte - und überlebte. Die Fernsehserie Ein Stück Himmel, die in den 80er Jahren ausgestrahlt wurde, die mich schon damals sehr beeindruckt und nie wieder ganz losgelassen hat, erzählt von dieser Zeit.
Wovon die Verfilmung nicht erzählte war die Zeit nach dem Krieg, nach dem Überleben. Sie erzählte nicht von der Rückkehr in die Heimatstadt, vom Warten auf die Eltern, die einst im Ghetto zurückgeblieben waren - und die niemals heimkehrten. Sie erzählte nicht von der Leere und der Dunkelheit, die plötzlich über allem liegt, dem Gefühl des "Es-nicht-verdient-Habens-zu-Überleben", wenn doch all die anderen, die einem nahe standen, sterben mussten. Sie erzählt nicht von dem Unverständnis, wie eine einstmals hochbegabte Schülerin es nicht mehr schafft, sich im Unterricht auf die einfachsten Dinge zu konzentrieren und schließlich kläglich versagt.
Später
dann die Flucht aus Polen, mit Hilfe von Schleusern nach Frankreich,
ins Exil. Keine Papiere, eine fremde Sprache, Unterkunft abwechselnd bei
entfernten Verwandten, die alle mit sich selbst zu tun haben und die
von den Folgen des Krieges traumatisiert scheinen, und zwischendurch
immer wieder in verschiedenen Kinderheimen, zusammengepfercht mit
anderen Geflüchteten, jeder davon mit seiner eigenen Geschichte. Das
Gefühl, nirgendwo willkommen zu sein. Nicht
zu wissen, wie es weitergeht, wo man am Ende landet. Dazu die Bilder
von Krieg und Tod im Kopf, was jeder auf seine Weise zu kompensieren
versucht, und es nicht immer schafft.
Janinas Geschichte spielt in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts, und sie wirkt auf uns wie ein Blick in eine dunkle Zeit.
Auch in diesen Tagen sind Hunderttausende auf der Flucht vor Krieg und Terror.
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