Mittwoch, 25. Juli 2018

Vom Rückfall in dunkle Zeiten


Wenn wir von „dunklen Zeiten“ sprechen, so denken wir dabei meist ans finstere Mittelalter, oder aber, zumindest hier bei uns in Deutschland, an die Jahre von 1933 bis 1945. Vielleicht auch noch - jedenfalls die Freigeister unter uns - an den spießigen Mief der 50er und 60er Jahre mit seinen angestaubten Konventionen. 

Aber spätestens seit dem Anbruch des 21. Jahrhunderts glaubten wir, dass nun ein neuer, progressiver Wind weht. Unsere Gesellschaft war offener geworden, toleranter und bunter. Alles ausgerichtet auf Globalisierung und Fortschrittlichkeit, und auch, wenn es in vielen Bereichen noch immer Luft nach oben gab, so wähnte man sich ethisch und moralisch zumindest auf dem richtigen Weg. 



Die globale Vernetzung durch das World Wide Web, allen voran die großen Social Media-Plattformen, boten doch wunderbare Möglichkeiten, einander kennenzulernen, sich zuzuhören, auszutauschen, Neues zu entdecken und Gutes zu tun. Zumindest hätte ich mir das vor fünfundzwanzig oder dreißig Jahren so oder so ähnlich vorgestellt, hätte mir da jemand erzählt, dass wir eines Tages die fantastische Möglichkeit haben werden, weltweit in Echtzeit miteinander zu kommunizieren.

Nun hat die Menschheit dieses grandiose Geschenk erhalten, aber was machen wir damit? Missbrauchen es dafür, andere fertig zu machen, zu verhöhnen, zu beleidigen; wir manipulieren Wahlen, spalten und geben radikalen politischen Strömungen ein Forum. Wahre Trollschmieden werden ins Leben gerufen und ihre Jünger und Bots rotzen ihre hasserfüllten Beiträge stakkatoartig ins Netz und heizen die politische Stimmung in einer Weise an, dass man meint, ein Bürgerkrieg stehe kurz bevor und das Dritte Reich Volume II sei nur noch eine Frage der Zeit. 

In diesem heißen, viel zu trockenen Sommer erleben wir nun – wie es scheint - den völligen Werteverfall unserer westlichen Gesellschaft: Während in den USA Kinder in Stahlkäfigen interniert werden und die orange Witzfigur im Weißen Haus alte Allianzen zerschlägt und die Welt an den Rande eines Handelskrieges führt, reißt in Deutschland eine bayerische Provinzpartei auf der rechten Überholspur beinahe die Regierungskoalition in den Abgrund und mutet der Republik dabei einen Innenminister zu, über den man eigentlich herzhaft lachen könnte, wenn es nicht so traurig wäre. Im Bundestag wird in hetzerischen Reden das Feindbild vom „Kopftuchmädchen“ und „alimentierten Messermännern und sonstigen Taugenichtsen“ heraufbeschworen, und in Europa sind plötzlich wieder die Nationalisten en vogue; Italien will die im Land lebenden Roma zählen lassen, und in Österreich denkt man darüber nach, praktizierende Juden zu registrieren. Derweil schließt die EU ihre Häfen und kriminalisiert Lebensretter, und während im Mittelmeer Menschen ertrinken, skandiert der Pöbel eines schönen Montags mitten auf einem öffentlichen Platz in Dresden „Absaufen, absaufen“. Konservative Revolution at work.

Die Menschlichkeit, so scheint es, wird in diesem Sommer 2018 nun wohl endgültig zu Grabe getragen.